Folge 3 – Kein guter Ton(er)
Wenn man Menschen aufschneidet und schwarze Lungen vorfindet, könnte man schnell meinen, dass da jemand ziemlich was weggeraucht haben muss.
Aber diese Männer, bei deren Sektionen ich dabei sein durfte, haben keine einzige Zigarette konsumiert. Der eine lebte an einer viel befahrenen Straße, der andere hatte in seinem Arbeitszimmer über viele Jahre einen Laserdrucker aufgestellt. Beiden wurde der Feinstaub zum Verhängnis.
Im ersten Fall war es der von Verbrennermotoren und Reifenabrieb, im zweiten Fall der des Druckertoners. Ich will mich heute auf den Dreck aus dem Drucker beschränken.
Was schätzen Sie, welche Mengen davon in die Luft geblasen werden, wenn Sie nur eine einzige Seite ausdrucken? Es sind mehrere Milliarden Nanopartikel! Darunter Kunstharze, Pigmente, magnetisierte Metalloxide, Stabilisatoren, Weichmacher, Antioxidantien, einiges aus der PFAS-Gruppe. Das alles wird eingeatmet, so winzig klein, dass die Stoffe problemlos in den Blutstrom wandern, die Blut-Hirn-Schranke überwinden, sich in Organen ablagern, woraus sich ein breites Portfolio elender Krankheiten entwickeln kann.
Das betrifft uns Mitteleuropäer ganz konkret jeden Tag, verbringen wir doch bis zu 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen, die ja inzwischen gasdicht zu sein haben. Ein Trugschluss also, dass die jährlich 400.000 Luft-Toten in der EU nur Kollateralschäden des Verkehrs seien: Innenraumluft ist aufgrund vieler sich darin sammelnder Substanzen drei- bis achtmal schlechter als die Außenluft in Innenstädten! Kettenraucher wissen immerhin, was ihnen widerfahren kann, unbedarfte Mieter oder Bürogänger ahnen die Gefahr kaum. Dank der ehrenamtlichen Arbeit der Stiftung nano-Control, deren Schirmherr ich bin, wissen wir dazu immer mehr.
Doch trotz erdrückender Hinweise und trauriger Patientenschicksale verteilt das Umweltbundesamt den Blauen Engel, sodass sich selbst besonders auffällige Marken wie Kyocera damit schmücken dürfen. Das hat uns in ein Dilemma gebracht. Wir hängen fest. Aber die Zeit drängt. Es ist nicht nur zu spät zum Weiterforschen, es ist auch völlig unnötig, wenn die Wissenschaft damit Probleme aufrecht erhält, anstatt Lösungen zu entwickeln und dem Vorsorgeprinzip zu folgen.
Bis die Generationen der Verantwortlichen weggestorben sind, ist beherztes Handeln einzelner Personen notwendig.
Vor zwölf Jahren griff etwa Boris Pistorius durch, damals noch niedersächsischer Innenminister. Er hatte von vermehrt aufgetretenen Krebserkrankungen erfahren und vom Verdacht der möglichen Ursache: Laserdruckeremissionen. Daraufhin wurden über 4000 Laserdrucker im Verantwortungsbereich des Innenministeriums gegen Tintenstrahldrucker getauscht.
Da war Pistorius noch friedenstauglich – und inspirierte andere Behörden: Auch in Ministerien und Landesämtern in Bremen, NRW, Bayern sowie im Bundespräsidialamt wurde umgerüstet.
Autor: Michael Braungart
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