Luisa, 33 Jahre, Bürokauffrau (Name geändert)

Das Schlimmste für mich ist der Verlust meiner Gesundheit und die vielen zwangsweisen Einschränkungen im täglichen Leben

Im Großen und Ganzen war ich sehr zufrieden mit meinem Leben. Ich hatte viele Hobbys, wie Singen, Eiskunstlauf, Radfahren, Schwimmen, Tanzen, Spazieren gehen, meinen Garten, Basteln, Pralinen herstellen, Lesen, Freunde treffen. Vor kurzem hatte ich einen tollen Job in einer kleinen Unternehmensberatung angenommen. Ich wohnte seit circa zwei Jahren in einer gemütlichen Mietwohnung im Umland von XY. Ich war jung, erst 29, und dachte, dass mein Leben so weitergehen würde.

Meine neue Arbeit machte mir großen Spaß. Ich konnte mir den Tag meistens selbst einteilen. Da unsere Firma oft Seminare abhielt, war ich zum Großteil damit beschäftigt, Schulungsunterlagen zusammenzustellen. Das bedeutete jede Menge Druck- und Kopierarbeiten. Doch das machte mir nichts aus. Im Gegenteil, ich hatte Spaß daran, aus einer Vielzahl von Unterlagen ansprechende Ordnerpakete zu erstellen.

Der Spätherbst kam (2003), draußen wurde es kälter. Trotz Heizung auf voller Stufe fror ich in meinem kleinen Empfangsraum erbärmlich. Bald halfen nicht mal mehr zwei Winterjacken. Noch dachte ich mir nichts dabei. Doch schon bald wurde ich geplagt von starken Kopfschmerzen, Kreislaufproblemen, Halsschmerzen, Kratzen im Hals, Reizhusten,“Ziegelsteingefühl“ auf den Bronchien, ständig laufender Nase, bleierner Müdigkeit, Haarausfall, Schüttelfrostanfällen und übersteigertem Geruchsempfinden. Meine angebliche Lebensmittelallergie hatte sich plötzlich auch derartig verschlimmert, dass ich kaum noch etwas essen konnte, ohne nicht mehrere Stunden von Magen- und Darmkrämpfen geplagt zu werden. Zu guter Letzt schwoll mein Hals innerlich zu, so dass ich kaum noch atmen konnte. Zusätzlich bekam ich starken Brechreiz, der nicht mehr aufhören wollte. – Ein langer Alptraum hatte begonnen.

Der Besuch beim Hausarzt nächsten Tag hatte außer einer Schilddrüsenunterfunktion nichts ergeben. Ich war verwirrt, denn ich hatte nicht die leiseste Ahnung, warum mein Körper plötzlich derart verrücktspielte. Der Brechreiz besserte sich auch in der nächsten Zeit absolut nicht. An Arbeiten war mittlerweile nicht mehr zu denken. Ich konnte kaum noch atmen und essen. Liegen konnte ich auch nicht mehr. Die Nächte verbrachte ich zumeist sitzend. Weihnachten und Silvester fielen für meine Familie und mich aus. Es folgte eine wahre Ärzte-Odyssee. Doch niemand von den insgesamt 25 Ärzten und Heilpraktikern konnte oder wollte mit meinen Symptomen etwas anfangen. Ich wurde von den meisten nicht einmal für „voll“ genommen und bekam Kommentare oder Fragen zu hören wie: „Hängen Sie noch an Mutters Rockzipfel?“ „Die Atemnot bilden Sie sich nur ein!“ „Sind Sie ein ängstlicher Mensch?“ „Lassen Sie sich doch vorsichtshalber Ihre Amalgamfüllungen ausbohren!“ (Haha, was kommt als nächstes? Soll ich mir vorsichtshalber irgendwelche Organe oder ein Bein entfernen lassen???) In jeder Arztpraxis fühlte ich mich wie eine Art Labormaus.

Die Übelkeit wich noch immer nicht von meiner Seite. Ich verspürte sie jede Sekunde, jede Minute des Tages, 24 Stunden am Tag. Manchmal so stark, dass ich kaum Luft holen, geschweige denn essen konnte. In so einem Zustand kann sich ein einzelner Tag ganz schön lange hinziehen. Vor allem, wenn man nicht weiß, wie lange man diesen Zustand insgesamt noch zu ertragen hat. Ich nahm innerhalb von sieben Wochen acht Kilo ab. Bald konnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten, so dass mich meine Eltern auf meinem rollbaren Bürostuhl, auf den ich mit Müh und Not mit letzter Kraft geklettert bin, vom Bett zum Bad schoben und wieder zurück. Eines Tages, als ich in den Spiegel blickte, erkannte ich mich nicht mehr. Es war, als blickte ich in das Gesicht eines Zombies. Fahle Haut, weit hervorgetretene abwesende Augen. Ein grässlicher Anblick.

Bald darauf musste ich meine Wohnung aufgeben und zurück zu meinen Eltern in mein kleines Kinderzimmer ziehen. Eine Katastrophe für mich, da meine Vermieter mittlerweile gute Freunde waren. Ich hatte mich nirgends so wohl gefühlt wie dort. Als gesundheitlich noch immer keine Besserung abzusehen war, verlor ich zu allem Überfluss auch noch meinen Arbeitsplatz, da ich mich noch in der Probezeit befand. Recht viel schlimmer konnte es nun nicht mehr kommen, dachte ich.

Insgesamt verbrachte ich ungefähr sechs Monate auf dem „Sterbebett“. Wir rechneten jeden Abend damit, dass ich nächsten Morgen nicht mehr aufwachte. Aber ich konnte doch nicht mit nur 29 Jahren an einer „unerkannten“ Krankheit sterben, oder? Schließlich hatte ich noch so viele Pläne…!

Allein durch die Einnahme einer Ladung Vitamin- und Mineralstoffpräparate konnte ich mich nach einigen Monaten immerhin wieder kurzzeitig auf den Beinen halten, so dass der damals behandelnde Arzt einfach beschloss, ich sei jetzt kerngesund und könne wieder arbeiten gehen. Also schleppte ich mich zur Agentur für Arbeit und ging auf Jobsuche. Doch bei allen Vorstellungsgesprächen hieß es nur: „Werden Sie zuerst einmal gesund!“ Und nach jedem Termin in der Agentur für Arbeit war ich noch kränker als zuvor. Ich war oftmals nicht mal mehr in der Lage, allein zum Parkplatz zurückzugehen. Doch irgendwann (Ende 2004) fand ich über Zeitarbeit eine befristete Arbeitsstelle im Büro einer kleinen Gerätebaufirma im Industriegebiet von XY. Ich spielte beim Vorstellungsgespräch mit offenen Karten bzgl. meiner angeschlagenen Gesundheit. Der Chef wollte mich trotzdem unbedingt einstellen. Die Arbeit selbst war sehr abwechslungsreich und machte mir großen Spaß. Nach einem halben Jahr wurde ich sogar fest eingestellt, obwohl es mir gesundheitlich noch nicht recht viel besser ging. Und bald darauf fand ich auch wieder eine eigene kleine Wohnung.

Morgens wusste ich an vielen Tagen nicht, ob mein bisschen Kraft dazu ausreichte, meine Haare zu waschen bzw. mich unter die Dusche zu stellen, was für andere Menschen das Selbstverständlichste der Welt ist. Oftmals war ich nur noch zu einer Katzenwäsche fähig. Und selbst da musste ich mich nach jedem zweiten Handgriff setzen und eine längere Pause einlegen. Ich schleppte mich aus Sorge um meinen Arbeitsplatz oft nach nur 2-3 Stunden Schlaf irgendwie die 75 km über die Autobahn zur Arbeit, um am Abend dann völlig erledigt regungslos auf der Couch zu sitzen und um bessere Zeiten zu beten. Zu meinen Hobbys war ich schon lange nicht mehr fähig. Ich haderte mit meinem Schicksal. Alles, was ich mir wünschte, war „ein ganz normales Leben“ …

Die „hochintelligenten“ Kommentare meiner lieben Mitmenschen machten es mir nicht gerade leichter:

  • „Bist du denn noch immer nicht gesund?“
  • „Trink doch jeden Abend ein Glas Bier.“
  • „Kind, du musst mal was Anständiges essen, dann wirst du auch wieder gesund. Aber wenn du natürlich nichts isst, kannst du ja nicht gesund werden!“
  • „Leg dir einen Mann und Kinder zu, dann hast du überhaupt keine Zeit mehr zum Kranksein!“

Amateurhirne. Würde mich nicht wundern, wenn sie einem Rollstuhlfahrer raten würden, doch endlich mal eine Runde zu joggen oder Fußball zu spielen…

Viel zu viele Urlaubstage hatte ich für Arzttermine geopfert, eigentlich gingen sogar drei Viertel meines Jahresurlaubs dafür drauf. Auch machte ich oft früher Feierabend deswegen und musste diese Stunden an anderen Tagen logischerweise wieder reinarbeiten. Zwischenzeitlich entschloss ich mich dann doch dazu, von meinem neuen Zahnarzt meine letzten drei Amalgamfüllungen durch Kunststoff-Keramik- Füllungen ersetzen zu lassen. (Man stelle sich vor, man hat pausenlos enormen Brechreiz und muss sich trotzdem im Mund herumfuhrwerken lassen. Für mich die reinste Hölle!) Dieser Zahnarzt führte dann auch eine Entgiftung durch, da die Dämpfe, die durch das Ausbohren von Amalgamfüllungen entstehen, schädlich sind. Doch als nach mehr als einem Jahr der Amalgamentfernung und -entgiftung noch immer keine große Besserung eintrat und mein Zahnarzt bei der Austestung immer wieder eine starke Schwermetallbelastung (v. a. durch Quecksilber) feststellte, war er überzeugt, dass ich irgendwo eine Schwermetallquelle haben musste, wo mein Körper täglich so viel aufnahm, dass er mit dem Entgiften nicht mehr hinterherkam. Aber wo? Zuerst stellte ich in Gedanken meine Wohnung auf den Kopf, fand aber nichts. Das Interessante war, dass es mir im Urlaub deutlich besser ging. Auch an den Wochenenden fühlte ich mich ein Stück besser als während der Woche. Sollte etwa in der Arbeit meine „Quelle“ sein? Wachsam suchte ich alles ab, fand aber nichts. Das Einzige, das mich enorm störte, war der üble Geruch unseres Kopierers. Aber Quecksilber oder andere Schwermetalle in der Druckerschwärze? Das konnte ich mir dann doch nicht vorstellen, dass die Menschheit sooo dämlich ist und Zeug herstellt, mit dem sie sich selbst vergiftet. Nur aus purer Neugierde suchte ich im Internet nach Informationen, woraus so ein „Toner“ denn besteht. Doch was ich dann las, ließ mich erstarren…

Nach vier langen Jahren hatte ich endlich die Ursache für meine gesundheitlichen Probleme gefunden. Und bald darauf auch einen geeigneten HNO-Arzt, der sich mit der Tonerproblematik auskannte. Dieser führte u. a. einen Epikutantest auf Metalle durch, da Toner oftmals eine große Menge an Schwermetallen enthalten. Und ich reagierte kräftig! Auf den Bildern (siehe unten) sieht man „nur“ die Hautreaktionen, die Wahnsinns-Übelkeit während des viertägigen Tests ist nicht zu beschreiben… Doch auch wenn ich nun einen äußerst kompetenten Arzt gefunden hatte, war der Spießrutenlauf noch keineswegs vorbei! Laut diesem Arzt durfte ich nämlich künftig keinerlei Kontakt mehr mit Toner haben. Somit hätten in meiner Arbeitsstelle die drei Laserdrucker und unser Fax-Kopierer durch moderne Tintenstrahlgeräte ersetzt werden müssen. Doch mein Chef stellte sich quer mit der Begründung „Jemand wie Sie ist für meine Firma nicht mehr tragbar. Diesen Zirkus mache ich nicht mit.“ Somit wurde ich kurzerhand „entsorgt“. (Das Gute daran: Ungefähr vier Wochen, nachdem ich aus dem Büro draußen war, konnte ich wieder so ziemlich alles essen, was ich wollte!)

Die Berufsgenossenschaft, bei der mein Arzt Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit gestellt hat, stellt sich natürlich auch komplett stur und kommt mit fadenscheinigen Gegenargumenten, nur um sich um die Zahlung zu drücken. Aber das kennt man von denen ja.

Blut-, Urin- bzw. Stuhluntersuchungen ergaben zwischenzeitlich eine so hohe Schwermetallbelastung, v. a. mit Quecksilber, Cadmium und Kobalt, dass ich eigentlich schon längst mit Erde bedeckt sein müsste…

Aus finanziellen Gründen zog ich dann wieder zu meinen Eltern zurück, die ihre Doppelhaushälfte so umbauten, dass sie komplett im Erdgeschoss wohnen konnten und ich im 1. Stock eine eigene Wohnung hatte. Der Haus-Umbau und die gesamte Entgiftung sowie ein Großteil der ärztlichen Behandlungen, die ich aus eigener Tasche bezahlen musste, kosteten mich bisher insgesamt ca. 50.000,- €. Andere fahren dafür etliche Male schön in Urlaub oder ersparen sich dafür eine Eigentumswohnung…

Auf der Agentur für Arbeit brach ein neuer Krieg los. Der dortige Amtsarzt hat sämtliche Untersuchungsergebnisse meiner behandelnden Ärzte ignoriert (vermutlich, weil sein medizinisches Fachwissen nicht ausreichte) und mich für kerngesund und „arbeitsscheu“ erklärt. Seiner Meinung nach könne ich mich acht Stunden am Tag neben Toner-Geräten aufhalten. Aus diesem Grund wurde mir nicht einmal eine Umschulung genehmigt. Ich darf mich nun mal nirgends mehr aufhalten, wo ein Laserdrucker oder Kopiergerät „anwesend“ ist. Da aber solche Geräte heutzutage fast überall anzutreffen sind, ist mein Leben mittlerweile sehr eingeschränkt. Ich kann nun mal keine Bank oder Behörde oder sonstiges öffentliches Gebäude mehr betreten, da bei mir ein einziger Atemzug genügt, um die o. g. Beschwerden wieder auszulösen. Auch wenn das irgendwelchen Amtsärzten nicht passt.

Somit ist meine Bürokarriere mit nur 33 Jahren vorzeitig zu Ende. Und meine Gesundheit leider auch. In jedem mir unbekannten Raum oder Gebäude wartet sozusagen das Damoklesschwert auf mich. Dasselbe gilt für die meisten Arztpraxen, Kurkliniken sowieso und ganz besonders für Krankenhäuser. Sollte ich einmal operiert werden müssen, wäre mein Schicksal schon vor der Operation besiegelt, da sich selbst im OP solche Geräte befinden.

So habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt.

Hautreaktionen während eines Epikutantests auf Metalle in 2007:

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